Corona-Gesundheitszertifikat - RegioIT Blog
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Corona-Gesundheitszertifikat

Wir Menschen kämpfen überall gegen die Covid-19-Pandemie. Dieser Kampf wird von unterschiedlichen wissenschaftlichen und technologischen Disziplinen in enger gemeinsamer Zusammenarbeit geführt. Weltweite, europäische und deutsche Netzwerke und Plattformen kreieren Ideen, Konzepte, Versuche und Lösungen auf allen Gebieten. Diese umfassende Zusammenarbeit ist auch für den erfolgreichen Start in die Post-Pandemie-Zeit eine notwendige Voraussetzung. Und zugleich eine wichtige Basis für den nachhaltigen Erfolg.

 

Exit aus dem Lockdown

Dabei könnte auch die Vorlage eines individuellen und verifizierbaren Gesundheitszertifikates bei Behörden, Arbeitgebern, in Kliniken oder an sicherheitskritischen Orten hilfreich sein, um das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft nach Corona erfolgreich zu organisieren und zu gestalten.

Deshalb muss schon jetzt eine sichere IT-gestützte Lösung entwickelt und getestet werden. Sie muss funktionieren, ohne dass dafür der Datenschutz aufgegeben wird. Und vor allem darf die individuelle Datensouveränität dabei nicht verloren gehen. Die Blockchain-Technologie könnte dabei helfen, ein Gesundheitszertifikat und Datenschutz sowie Datensouveränität miteinander zu verbinden – und nach Möglichkeit sogar auszubauen.

 

Das Virus an die Kette legen

Ein Konsortium aus dem Rheinland arbeitet aktuell bereits an solch einer Lösung: Sie soll den Corona-Status einer getesteten Person auf Basis einer Self-Sovereign Identity-Lösung in einer Blockchain verankern und so für alle Parteien – Gesundheitswesen, Patienten, Wirtschaft – jederzeit digital nutzbar machen. Wobei in der Blockchain keine personenbezogenen Daten gespeichert werden. Vielmehr dient die Distributed Ledger Technology dazu, die Sicherheit und Unverfälschbarkeit des Immunitätsnachweises zu garantieren. Die technische Infrastruktur hierzu wird die Blockchain-Genossenschaft govdigital eG als eine Private Blockchain bereitstellen.

Das Konsortium aus Herstellern medizinischer Produkte, Laboratorien, Kliniken, Arztpraxen, klinischen Datenverwaltungssystemen und govdigital e.G. als Anbieter einer gesicherten Blockchain in öffentlicher Hand hat eine erste Lösung entwickelt: Ein sogenanntes Minimum Viable Product (MVP) funktioniert bereits in einer digitalen „Ende-zu-Ende-Lösung“ in einem bundesweiten Testprozess. Für das Gesundheitszertifikat wurde eine datenschutzrechtlich konforme und verifizierbare Datenkette geschaffen: Von der Entnahme und Bereitstellung einer medizinischen Probe, ihrer Handhabung in Kliniken und anderen Einrichtungen über den Prozess automatischer Labortests bis hin zur Vorlage bei den anfordernden Stellen. Hierfür müssen viele Akteure zusammenwirken – das tun sie nun, im Konsortium.

 

Digitale Selbstbestimmung als wichtiger Baustein

Auch soll eine Self-Sovereign Identity-Anwendung (SSI) zum Einsatz kommen. Die pseudonyme Identität in Verbindung mit der medizinischen Test-Probe wird während des gesamten Prozesses verwendet, mittels der Ende-zu-Ende-Verschlüsselungstechnologie der UBIRCH GmbH in die Blockchain-Infrastruktur bei govdigital eG verschlüsselt und als Hash-Wert verankert. Das stellt eine vertrauenswürdige Ablage sicher. Jeder Schritt, bei dem der Probe Informationen hinzufügt oder geändert werden, wird ebenfalls auf diese Weise verankert. Gleiches gilt für alle behandlungsbezogenen Daten, die dem System hinzugefügt werden können. Um sicherzustellen, dass die Ereigniskette nicht kompromittiert wird, steht der Hash-Wert der verankerten Daten von jeder Partei, die die Probe verarbeitet, zur Verifizierung zur Verfügung. Die personenbezogenen Gesundheitsdaten werden, wie gesetzlich vorgeschrieben, an die Klinik oder direkt an den Patienten weitergeleitet, der jederzeit die Ergebnisse und die Kette der Ereignisse überprüfen kann. Und nur er entscheidet, wer die Daten sehen darf.

 

Der Gesetzgeber legt vor

Das Bundesgesundheitsministerium bringt aktuell eine gesetzliche Grundlage in den Bundestag ein, um Immunitätsdokumentation zu ermöglichen. Vorausgesetzt, ein sicherer medizinischer Immunitätstest ist möglich. Dabei muss ausdrücklich berücksichtigt werden, dass es aktuell noch keinen 100 %ig verlässlichen medizinischen Immunitätsnachweis gegen das Virus gibt. Aber weltweit wird hieran gearbeitet.

Mit dem zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wird der § 22 des Infektionsschutzgesetzes dahingehend geändert, dass künftig eine Immunitätsdokumentation analog der Impfdokumentation die mögliche Grundlage dafür sein soll, eine entsprechende Immunität nachzuweisen. Es sollen Daten zum Immunitätsstatus einer Person erfasst und dokumentiert werden. Die Immunitätsdokumentation muss im Bezug zur jeweiligen übertragbaren Krankheit u. a. folgende Angaben enthalten:
Name der Krankheit, Datum der Feststellung der Immunität und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu erwartende Dauer der Immunität, Grundlage und Angaben zur Testmethode, Name und Anschrift der Person, die die Immunität festgestellt hat, sowie die Bestätigung in Schrift- oder in elektronischer Form.
In § 28 des Gesetzentwurfes wird die Option ermöglicht, dass eine Person wegen eines bestehenden Impfschutzes oder einer bestehenden Immunität von (Schutz-) Maßnahmen ganz oder teilweise ausgenommen werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Die betroffene Person hat durch eine Impf- oder Immunitätsdokumentation nach § 22 nachzuweisen, dass sie die bestimmte übertragbare Krankheit nicht oder nicht mehr übertragen kann.

 

Fragen einer Risiko-Ethik

Zu diesem Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums ist eine heftige Diskussion entbrannt. Gerade deshalb ist es gut und sinnvoll, dass der Bundesgesundheitsminister den deutschen Ethikrat mit in die Diskussion einbeziehen will. Denn es kann sicher kontrovers beurteilt werden, ob ein Mensch, der seinen getesteten „Corona-Status: negativ“ für kurze Aktivitäten bewusst nutzen darf – beispielsweise als Bundesliga-Fußballspieler an einem Geisterspiel teilnehmen oder einen Angehörigen im Altenheim besuchen. Dies zu verwehren und alle gleich zu behandeln, ist für mich keine Lösung.

Wenn es hoffentlich bald einen Impfstoff gibt, werden wir auch gemeinsam diskutieren und klären müssen, ob es eine Impfpflicht geben soll. Oder ob Menschen, die sich freiwillig impfen lassen, weitergehende Möglichkeiten und Rechte bekommen, am gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Wie schon bei der im letzten Jahr beschlossenen Masern-Impfpflicht werden wir das als Gesellschaft politisch entscheiden müssen.
Die wissenschaftliche, ethische und letztlich politische Debatte darüber hat erst begonnen. Aber sie ist zwingend notwendig. Wir werden dann auch klären müssen, wo die Daten gespeichert werden und ob Datensouveränität und Datenschutz dabei berücksichtigt sind. Somit muss sich auch die gewählte Technik der ethischen Diskussion stellen.

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