Mit dem digitalen Euro die europäische Souveränität verteidigen - RegioIT Blog
7779
post-template-default,single,single-post,postid-7779,single-format-standard,ajax_fade,page_not_loaded,smooth_scroll,,qode-child-theme-ver-1.0.0,qode-theme-ver-3.10,wpb-js-composer js-comp-ver-5.5.2,vc_responsive

Blog

Mit dem digitalen Euro die europäische Souveränität verteidigen

Am 12. Januar 2021 hat die Europäische Zentralbank (EZB) das Konsultationsverfahren zum digitalen Euro abgeschlossen, an dem 8.221 Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Wirtschaftsverbände und Wissenschaftler/-innen teilgenommen haben. Die stärkste Rückmeldung, die jemals auf eine öffentlichen Konsultation der EZB hin erfolgte. Datenschutz, Sicherheit und eine europaweite Verfügbarkeit waren die am häufigsten genannten Wünsche zur Gestaltung des digitalen Euro, so eine erste Analyse nach Darstellung der Deutschen Bundesbank.

 

Der digitale Euro wäre eine elektronische Form von Zentralbankgeld, das genauso wie Bargeld nur über eine App auf einem Smart Device in digitaler Form als schnelles, einfaches und sicheres Zahlungsmittel für tägliche Transaktionen genutzt werden könnte – so wie Bargeld von Portemonnaie zu Portemonnaie wandert. Ziel der Europäischen Zentralbank und der beteiligten 19 nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebietes ist dabei nicht, das Bargeld zu ersetzen, sondern den digitalen Euro mit der Sicherheit der dahinterstehenden Europäischen Zentralbank zu verwenden.

 

Der digitale Euro als Gestaltungsfeld
Positiv ist, in welch kurzer Zeit sich die Europäische Zentralbank und die etablierte Task Force mit diesem Thema befassen. Für die digitale Souveränität Europas ist das bedeutend. Ich habe im Juli 2019 als Reaktion auf die bekanntgewordenen Aktivitäten von Facebook rund um die geplante private Währung Libra darauf aufmerksam gemacht, dass die Antwort hierauf nur die Einführung eines digitalen Euro sein kann: als strategische Antwort der souveränen europäischen Staaten. Wie in meinem Blog schon geschrieben, ist das Thema „Digitale Währung durch die Nationalbanken“ nicht neu, ich beobachte diese Ansätze seit 2016. Richtig und wichtig also, dass die Task Force-Gruppe der EZB das Thema konsequent verfolgt.

 

Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass sich auch das deutsche Finanzministerium frühzeitig für einen digitalen Euro eingesetzt hat. Finanzminister Olaf Scholz hat sich bereits im Oktober 2019 für einen digitalen Euro stark gemacht. Und auch in der Blockchain-Strategie der Bundesregierung wird einer privaten Kryptowährung eine Absage erteilt.

 

Gut auch, dass umfassend und transparent über die Pläne zum digitalen Euro informiert wird, denn dessen Einführung kann nur erfolgen, wenn die Menschen in Europa ein hohes Vertrauen auch in diese digitale Währung – garantiert durch die Europäische Zentralbank – entwickeln.

 

Handfeste Vorteile
Der digitale Euro wird Europa im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr stärken. Er kann innerhalb von Sekunden zwischen Transaktionspartnern weltweit ausgetauscht werden; eine wichtige Voraussetzung zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Für Deutschland als Exportnation ist dies besonders bedeutsam.

 

Zunehmend werden Geschäftsprozesse in den Unternehmen digitalisiert und optimiert. Dies gilt auch für viele Geschäftsprozesse in den Verwaltungen und kommunalen Unternehmen. Sobald aber ein Geschäftsprozess eine Zahlung auslöst, gibt es immer wieder Schnittstellen und teilweise Systembrüche. Wo können Verwaltungsprozesse im Rahmen des Online-Zugangsgesetzes ausgelöst werden? Wenn eine Zahlung erforderlich ist, müssen besondere Zahlungswege angestoßen werden. Dies mag bei Verwaltungsprozessen kein Problem sein, aber im privatwirtschaftlichen Handeln ist das Auseinanderfallen von Leistungen und Gegenleistungen oft über mehrere Tage, international sogar über Wochen, ein Problem. Ein digitaler Euro kann auch so gestaltet werden, dass Zahlungen beim Erhalt der Leistung sofort automatisiert abgewickelt werden, indem Zahlungsflüsse durch programmierte Smart Contracts ausgelöst werden.

 

Ein interessanter Anwendungsfall ergibt sich aus kommunaler Sicht mit der weiteren Entwicklung des Themas Smart Cities. Der digitale und programmierbare Euro könnte auf Basis der Blockchain-Technologie so gestaltet werden, dass auch sehr kleine finanzielle Beträge effizient transferiert werden können. Wenn also zukünftig Sensoren ihre Messwerte direkt als autonome Agenten zur Verarbeitung anbieten, können sehr geringe finanzielle Kaufpreise für diese Messwerteeffizienz transferiert und abgerechnete werden. Dies mag künftig eine besondere Bedeutung spielen, wenn es darum geht, wie Rechte und Werte an Daten gemanagt werden sollen. Hier wachsen die Potenziale der Blockchain und Distributed Ledger Technology mit den regulatorischen Fragen eines digitalen programmierbaren Euros zusammen.

 

Vor allem auch im Umfeld der Maschine-Kommunikation ist es ratsam, in sinnvoller Form auch die Maschinen an einem digitalen Zahlungsverkehr teilnehmen zu lassen und dann jeweils maschinenbezogene Leistungen und Gegenleistungen abzurechnen. Gerade dann, wenn im Rahmen von Industrie 4.0 und dem Internet of Things zukünftig Geräte und Maschinen miteinander in einen Leistungsaustausch treten. Dieses Streaming Money wird sicher erst in einigen Jahren flächendeckend interessant. Aber schon heute sollten wir uns mit den technischen, rechtlichen und regulatorischen Voraussetzungen befassen.

 

Welche Technologie braucht es dafür?
In vielen Studien zum digitalen Euro kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass die Distributed Ledger Technology die geeignete Technologie ist, um ein Netzwerk zur technischen „Produktion“ des digitalen Euros zu realisieren. Dieses Netzwerk sollte aus sicheren Rechenzentren auf europäischem Boden bestehen. Ein besonderes Qualitätskriterium, damit die Menschen weltweit dem digitalen Euro vertrauen. Eine gute Governance wäre es, zertifizierte Rechenzentren in Form einer europäischen Genossenschaft zu organisieren, die sich bestimmten regulatorischen und sicherheitstechnischen Kontrollen unterwerfen müsste. Eine wesentliche Voraussetzung für die Mitgliedschaft in dieser europäischen Genossenschaft wäre es, dass diese Rechenzentren ihren Standort in Europa haben und die Europäische Kommission bzw. die Europäische Zentralbank die Technologie absichert sowie einen umfassenden Datenschutz garantiert.

 

Den digitalen Euro in der eigenen Hand behalten
Es bleibt spannend zu beobachten, wie die Entwicklung zum digitalen Euro weiter voranschreitet. Hier sind noch Fragen offen, die auch die Regulierung von Geld- und Finanzdienstleistungen berühren, wie beispielsweise „Know Your Customer“.

 

Interessant auch zu sehen, dass in Europa im Rahmen der Digitalisierung nun zwei wichtige Entwicklungen zueinander finden: Neben dem Thema des digitalen Euro schreitet auch die Diskussion um die Self Sovereign Identity weiter voran. Diese beiden Entwicklungen könnten in ihrer Verschränkung und ihrem Zusammenführen auf sicheren persönlichen Endgeräten eine Vielzahl von neuen digitalen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und nicht zuletzt für die öffentliche Verwaltung möglich machen.

 

Wenn es gelänge, eine europäische, staatlich kontrollierte, öffentliche Blockchain-Infrastruktur aufzubauen, die sowohl für das Konzept der Self Sovereign Identity wie auch für den digitalen Euro genutzt werden könnte, hätte dies eine besondere Gestaltungsmacht. In Deutschland wurde mit der Gründung der govdigital eG – einem Zusammenschluss von öffentlichen IT-Dienstleistern – bereits ein erster Schritt in diese Richtung gemacht.

Zur Übersicht