Libra, das Kryptogeld von Facebook... - RegioIT Blog
7652
post-template-default,single,single-post,postid-7652,single-format-standard,ajax_fade,page_not_loaded,smooth_scroll,,qode-child-theme-ver-1.0.0,qode-theme-ver-3.10,wpb-js-composer js-comp-ver-5.5.2,vc_responsive

Blog

Libra, das Kryptogeld von Facebook…

…ist eine Herausforderung für die Gesellschaft. Mit der Ankündigung, mit Libra eine eigene digitale Währung zu schaffen, hat Facebook für mächtigen Wirbel in der Finanzwelt gesorgt. Anders als bei den 2.290 Kryptowährungen, die es mittlerweile laut einer Liste von coinmarketcap mit Stand vom 27.06.2019 gibt, befinden sich Politik, Banken, Wirtschaft und Medien bei Libra heute in heller Aufregung.

 

Das neue Tochterunternehmen von Facebook, Calibra, das Libra entwickeln und einführen soll, hat mit 27 Mitstreitern ein ebenso großes wie schwergewichtiges Konsortium zusammengebracht, dazu gehören u. a. Mastercard, Visa, Spotify, Paypal und Uber. Die Idee dahinter: Jede Person, jede Organisation und jedes Unternehmen kann direkt Peer to Peer Geld überweisen, ganz ohne Mittelsmann, ohne Intermediär. Anders als Bitcoin ist Libra ein sogenannter Stablecoin. Ein Stabelcoin ist durch einen fest definierten Währungskorb mit dem Doller, dem Euro und anderen staatlichen Währungen gekoppelt. Facebook schafft in Form des elektronischen Geldes die Möglichkeit einer Weltwährung. Das ist auch das Neue gegenüber schon heute vorhandenem E-Geld wie bitt im Karibikraum oder die chinesischen Digital-Lösungen WeChat Pay oder Alipay. WeChat Pay hat in China das Bargeld innerhalb von fünf Jahren als Zahlungsmittel praktisch abgelöst. Das erreichbare Nutzer-Potential von Facebook und seinen Partnern ist weltweit ausgerichtet und steht nicht mehr unter Kontrolle der Währungsbehörden. Facebook allein verfügt über 2,7 Milliarden Nutzer. Daher wird der Ruf nach einer umfassende Regulierung von Libra laut. Es besteht die Gefahr, dass die Bedeutung der staatlichen Währung abnimmt.

 

Was Facebook hier konsequent einleitet, ist der nächste Schritt zur Gründung des „Facebook-Staates“. Nach der digitalen Identität, geschaffen durch Facebook für jeden Facebook-Nutzer, kommt nun das digitale Geld – geschaffen durch den Privatstaat Facebook mit aktuell 2,7 Milliarden „Bürgern“. Facebook wirbt für das Konzept gut und umfassend mit dem Versprechen einer weltweit verfügbaren, mit hoher Usability und neuester Technologie ausgestatteten Libra-Lösung. Angestrebt wird ein Betreiberkonsortium mit bis zu 100 Partnern. Wie bei der digitalen Identität des Facebook-Kontos wird am Ende auch beim „Digitalen Libra Facebook Coin“ mit den Daten der Nutzer, der Bürger und Unternehmen, bezahlt. Für das Konsortium lohnt sich die Investition, wenn es die Daten der Nutzer noch effektiver und effizienter auswerten, einsetzen und handeln kann.

 

Wie könnte nun eine Alternative aussehen? Es mag Zufall sein, aber der Zeitpunkt hätte für die CDU/CSU-Bundesfraktion nicht günstiger sein können. Quasi mit dem Glockenschlag hat die CDU/CSU-Fraktion am 25.06.2019 ihr „Eckpunktepapier zu Blockchain“ beschlossen. Neben vielen weiteren spannenden Vorhaben, die in diesem Blockchain-Papier angekündigt werden, greift die Fraktion unter dem Punkt Vll. die „Einführung eines digitalen bzw. elektronischen Euro (E-Euro)“ auf, um eine „seriöse Schnittstelle zwischen Fiat-Währung und der Token-Ökonomie“ zu schaffen. In diesem Kapitel wird sicher noch nicht auf die umfassende Einführung eines digitalen Euros abgestellt; auch werden bewusst noch Grenzen eingezogen wie: „dieser digitale Euro hat keinen Einfluss auf die Geldpolitik. Insbesondere wird kein neues Geld geschaffen, sondern ein kleiner Teil der bestehenden Geldmenge wird digitalisiert und einer globalen Infrastruktur zugänglich gemacht“, aber immerhin soll „der E-Euro ein mit den meisten Wallets kompatibler Token sein.“ Wie dies zur Kontrolle der Geldmenge und zum „kleinen Teil der Geldmenge“ passt, sei einmal dahingestellt. Wichtig ist, dass die Mehrheitspartei der aktuellen Regierungskoalition das Thema einer „staatlich garantierten Digital-Währung“ auf die Tagesordnung setzt.

 

Das Thema einer staatlichen digitalen Währung wird schon seit Jahren intensiv diskutiert. In 2016 wurde ich aufmerksam auf die Arbeit von John Bandear und Michael Kumhof, die im Working-Paper No. 605 der Bank of England im Rahmen einer makroökonomischen Studie zu dem Ergebnis kamen, dass es durch eine „central bank digital currency (CBDC)“ zu einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes in Großbritannien von drei Prozent kommen kann. Die „Task Force Krypto-Assets“ der EZB kommt in einer aktuellen Studie zum Ergebnis, „dass die Risiken oder potenziellen Auswirkungen von Krypto-Assets auf dem aktuellen Markt auf der Grundlage der bestehenden Regulierungs- und Aufsichtsrahmen begrenzt und/oder überschaubar sind. Diese Bewertung unterliegt jedoch Änderungen und sollte die EZB nicht daran hindern, Krypto-Assets weiterhin zu überwachen, das Bewusstsein zu schärfen und die Bereitschaft, sich damit zu befassen“. Wenn dies schon für private Kryptowährung gilt, dann sollte eine staatlich garantierte digitale Währung erst recht beherrschbar sein. Im Interesse der Bürger und der Wirtschaft sollten die europäischen Staaten den Euro durch den „digitalen Euro“ stark machen. Dieses wichtige Gestaltungsfeld dürfen Europa und die Europäische Zentralbank nicht dem privaten Sektor überlassen.

 

Eine wichtige Voraussetzung, um den digitalen Euro zu realisieren, ist die Blockchain-Infrastruktur. Hier könnte die von mir skizzierte europäische Government Blockchain Infrastructure eine wichtige Aufgabe übernehmen. Wir sehen in diesen Tagen, wie die Themen zusammenpassen. Die digitale Identität bedarf der Self-Sovereign Identity (SSI) als wichtige Basis. SSI kann das private Wallet managen und absichern, um den digitalen Euro in der eigenen Hand zu halten, statt ihn Facebook zu überlassen. Diese autonomen dezentralen Lösungen in Bürgerhand brauchen eine technische Infrastruktur, die in der Hand der Gesellschaft liegt.

Zur Übersicht